Num. 30.
Wiennerisches DIARIUM,
Enthaltend alles das Jenige / was von Tag zu Tag so wohl
in dieser Residentz=Stadt Wienn Denckwürdiges und Neues sich
zugetragen; Als auch was dergleichen auß allen Orthen der Welt Nachricht=
lich allda eingeloffen. Sambt einem Anhang jedermahliger Verzeichnuß; Erstlich al=
ler Persohnen / so allhier in=und ausserhalb der Stadt täglich verstorben; Zweytens /
aller hohen / an allhiesigem Hoff befindlichen Stands=Persohnen / Geburth
und Vermählungen; Und drittens / derer von allen Orthen täg=
lich allhier ankommenden Persohnen.
Mit Ihrer Römischen Käyserlichen Majestät allergnädigsten Privlegio.
Zu finden im Rothen Ygel.
Wienn vom 14. biß 15. Novembris 1703.
MJittwoch den 14. Novembris verfügten sich Jhre Königl. Majestät der
Römische König und Jhre Majestät die Römische Königin mit Dero
Hofstatt nach Closter=Neuburg / und celebrirten allda des andern Tags
das Fest des H. Leopoldi mit Beywohnung deß Gottesdiensts in dasiger Kir=
chen / allwo der Schleyer und Holderstauden / als das Kennzeichen der Erbau=
ung des Closters / sambt andern Merckwürdigkeiten und Reliquien / wie auch
der Kopff vom obgedachten Heiligen gezeiget; und nachdeme seynd Jhre Ma=
jestäten beynebens Dero bey sich habenden Hoffstatt in dem Closter stattlich
tractiret / auch der Gewonheit nach dem anwesenden Volck Fleisch / geprügel=
tes Brod / Wein und silberne Leopoldi=Pfennig ausgetheilet worden.
Eodem hat man auß Grätz vom 12. Dito vernommen / wie daß vergange=
nen Sonntag der daselbst inhafftirt gewesene Rebell Serini / des Nicolai Se=
rini / so Anno 1671. wegen einer der gegen das Ertz=Hauß Oesterreich gehegten
Conspiration, in der Wiennerischen Neustatt enthauptet worden / hinterlassener
Sohn / welcher 1683. die Türcken und Tartarn biß nach Ennß in Ober=Oe=
sterreich geführet / und in Lintz gefangen / dieses seines bösen Vorhabens hal=
ber die Zeit seines Lebens nach Rothenberg in Tyrol zur ewigen Gefängnuß
condemniret / verwichene Sommer aber / vor dem Bayrischen Einfall in Ty=
rol nach Grätz überführt worden / gestorben seye / und ob er schon in die 16. Jahr
lang kein Wort geredet / so vernimmt man doch / daß sich zwar zwey Geist=
liche ihn zum sterben gebührend zu bereiten bemühet / doch auch noch vor sei=
nem End keine Rede von ihme erhalten können: Ob er nun Natürlicher Weiß
stumm worden / oder solches aus Boßheit und Halßstarrigkeit von ihme gesche=
hen / ist daher noch unbekannt.
Eodem ist Hr. Graf von Castelbarco Kayserl. General Kriegs-Commis-
sarius aus Jtalien und Tyrol nach allen daselbst gemachten guten Verfassun=
gen wieder dahier arrivirt und hat mitgebracht / daß die Kays. Armee unter Jh=
rer Excellentz dem Hrn. Grafen Guido von Stahrenberg / General=Feld=Zeug=
Meister / stündlich bereit seye zu marchiren / umb gewisse Operationes vorzu=
nehmen. Von dem Viscontischen Corpo versichert Derselbe gleichfalls / daß
es sich mit denen Trouppen des Hertzogs von Savoyen glücklich conjungirt /
und mehr nicht als gegen 200. Mann seith dem mit den Frantzosen gehaltenen
Treffen verlohren worden / deren doch die wenigste todt / sondern theils gefan=
gen / theils sich anderweithin in der Flucht zerstreuet hätten. Dessen unerach=
tet machten doch die Frantzosen noch allezeit viel Geschrey von ihrem dißfalls
erhaltenen Vortheil.
Eodem aus dem Würtenberger=Land vom 10. Novembris. Der Herr
General Palfi ist durch einen von Seiner Hochfürstl. Durchl. dem Kayserl. Hrn.
General Lieuten. an ihme abgeschickten Obrist=Lieuten. beordert worden mit
2. Kayserl. als Styrumb und Hohenzollern / wie auch einem Schwäbischen
Kreyß=Regiment Stauffenberg / von dem Styrumbischen Corpo auff Mün=
derkingen zu marchiren / umb allda fernere Ordre zu erwarten. Dem Vermuthen
nach soll er sich mit obgedachter Seiner Hochfürstl. Durchl. conjungiren; Hr.
Gen. Styrumb aber solle diesem Corpo mit dem übrigen Theil der Armee nach=
folgen / und sich bey Geißlingen postiren.
Eodem aus der Schweitz vom 6. Novembris. Es werden einige Cantons
umb bey denen Frantzosen keine Jalousie zu erwecken / nicht auff die / wegen des
von dem Savoys. Abgesandten im Nahmen Seiner Königl. Hoheit gethanen
Vorträg / angesetzte Tagsatzung erscheinen. Der Canton Schweitz aber hat
sich schon würcklich dem Hertzog von Savoyen einige Völcker / umb seine Regi=
menter zu completiren / wider ein und anders Cantons einwenden / zu überlassen